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Die witzigste Form des Protests

von Bi-Bahntrasse

Die witzigste Form des Protests

(Badische Zeitung vom 30. April)

»Hallo, ich bin Lisa«: Kunstschule nimmt Bahnausbau aufs Korn

Von unserem Redakteur Helmut Seller

»Hallo, ich bin Lisa, ich wohne in Offenburg – vor der Mauer.« Was die Kunstschule Offenburg seit gestern »weltweit« über das Internet verbreitet, ist fraglos die bisher witzigste Form des Bahnprotestes. Im Mittelpunkt von bisher neun kleinen Film-Episoden steht Lisa, ein sympathisches kleines Offenburger Mädchen, das von seinem Leben in der Eisenbahnerstadt erzählt. Vor der Mauer, versteht sich!

»Lisa und die Eisenbahn« heißt die Produktion, die aus bislang neu kleinen Trickfilm-Episoden besteht, denen weitere folgen sollen. Lisa, ein mit wenigen Strichen gemaltes Mädchen mit blonden Zöpfen und blauem Kleid, erzählt im Internet neun Episoden. Alle Neune haben mit dem Bahnausbau zu tun und machen auf eine witzig-tiefgründige Weise deutlich, was auf Offenburg zurollt, wenn die Bahn ihre A3-Trasse verwirklicht. Jede Episode beginnt mit einem freundlichen »Hallo, ich bin Lisa«, erzählt eine Geschichte »vor der Mauer« und endet mit der infamen Frage: »Möchtest Du nicht auch in Offenburg wohnen?« Nein, möchte man – bei allem Amusement – nicht mehr, wenn man Lisas neun Geschichten gelauscht hat. Da spielt Lisa Federball – vor der Mauer – natürlich allein, denn ihre Freundin hinter der Mauer hat sie schon lange nicht mehr gesehen. Lisa erzählt auch, warum sie sooo gerne in Offenburg wohnt – leider geht die Antwort im Güterzuglärm unter. Oder wir erfahren, was Offenburg und die Dinosaurier gemeinsam haben: »Mein Papi sagt, Offenburg wird auch bald aussterben.«
»Knackig, einprägsam und unterhaltsam«, findet auch Kunstschul-Chef Heinrich Bröckelmann die Produktion. Ganz nebenbei werde mit Bild und Ton gezeigt, was im Alltag passieren könne. Gut gemachte kleine Filme seien auch Sympathieträger für ein Anliegen, sagt Heinrich Bröckelmann, der von einer schnellen Verbreitung übers Internet ausgeht: »Wir sprechen da jüngere Generationen an.«
Auf die Welt gebracht wurde Lisa durch Felix Müller und seine Kunstschulstudenten. Müller ist 30 Jahre alt, hat in Offenburg Medien- und Kommunikationswissenschaften studiert, 2002 sein Diplom und anschließende noch den Master gemacht. Heute leitet er die »Visionsbox Medienwerkstatt« in Ohlsbach und deckt ehrenamtlich an der Kunstschule Offenburg innerhalb des »Vorstudiums Bildende Kunst« als Dozent den Bereich Trickfilm ab. Lisa entstand »ganz unspektakulär«, wie er gestern auf Anfrage erzählte.
An einem Mittwoch vor drei Wochen war die Unterrichtszeit knapp, und es wurde eine Idee »für etwas Sinnvolles« gesucht. So kam man 10 Uhr morgens auf die Bahntrasse, hatte um 10.10 Uhr die Telefonnummer des BI-Vorsitzenden Manfred Wahl, kurz darauf dessen begeisterte Unterstützung und um 10.50 Uhr bereits die ersten Geschichten von Lisa in der »schönen neuen Bahnwelt« entwickelt. Mehrere Lisas wurden gezeichnet, die ideale ausgewählt und durch Hanna Rückert mit einer Stimme versehen, wie sie besser nicht passen könnte. Die Bahn-Stories von Lisa sollen in Kürze auf der Homepage der Bürgerinitiative Bahntrasse zu sehen sein und ergänzt werden. Wer Ideen hat, kann sich an die Kunstschule wenden (Telefon: 07 81 / 9 48 10 19). »Eine Werbeagentur hätte es nicht besser machen können«, freut sich Felix Müller über die in der Tat sehenswerte Produktion.

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