Pressearchiv (2005 - 2020)
Ein 50.000-faches Nein
von Bi-Bahntrasse
Ein 50.000-faches Nein
(BZ vom 9. Oktober)
Der Erfolg des Protests gegen den Ausbau der Rheintalbahn hängt nicht von Demonstrationen ab
VON UNSEREM REDAKTEUR WULF RÜSKAMP
In Freiburg waren es am Samstag 1500, vielleicht 2000 Menschen, die gegen die Pläne für den Ausbau der Rheintalbahn protestiert haben: Keine große Zahl für eine Demonstration, die alle betroffenen Bürger zwischen Offenburg und Basel ansprechen will. Doch über die politische Wirksamkeit des Protests sagt das wenig aus. Wohl aber die Zigtausende von Einsprüche, die gegen die Bahnplanung vorliegen.
Mit Maximalforderungen hatte der Protest der Bürgerinitiativen begonnen: Tunnel durch Weil am Rhein, durch Offenburg, durchs Markgräflerland, durch den Kaiserstuhl. Der Lärm der Güterzüge auf den beiden neuen Gleisen der Rheintalbahn sollte unter die Erde verbannt werden. Warum nicht gleich einen Tunnel von Basel bis Offenburg, spotteten die Bahnplaner. Doch das Spotten ist ihnen vergangen. 25.000 oft umfangreiche begründete Einsprüche gegen die bisher vorgelegten Pläne zum Bahnausbau sprechen eine eindeutige Sprache. Im Regierungspräsidium, das das Genehmigungsverfahren vorbereitet, rechnet man bei den ausstehenden vier (von elf) Bauabschnitten mit noch einmal so vielen Einsprüchen. Dahinter steht eine gute Organisation und Motivation der Bürger durch die Initiativen, die die Behörden mit der Papierflut ordentlich beschäftigen.
50.000-mal »Nein« zur Planung: Mag sein, dass sich darüber die Ingenieure der Bahn, möglicherweise die Bürokraten des Eisenbahnbundesamts in ihrer Genehmigung, ja sogar die Richter des Bundesverwaltungsgerichts in ihrem Urteil gegen anschließende Anliegerklagen hinwegsetzen können. Nicht aber die Politik.
Überschlägig sind vom Bau der neuen Gleise in der Region rund 60.000 Menschen betroffen. Wenn auch einige bei mehreren Bauabschnitten sich zu Wort gemeldet haben, ist dennoch klar: Was die Bahn an Plänen vorgelegt hat, wird zwischen Basel und Offenburg mit großer Mehrheit abgelehnt. Das können und dürfen regionale Politiker auf allen Ebenen nicht ignorieren – wenn sie denn Politiker ihrer Region sein wollen. Bei manchen hat es seine Zeit gebraucht, ehe sie die Wucht des Protests haben einschätzen können, nicht zuletzt weil die öffentlichen Demonstrationen eben eher klein und vor allem friedlich geblieben sind.
Doch mehr als diese zeigt die massive Einmischung der Bürger ins Planverfahren, wie groß der Unmut ist. Die Politiker der Region, gleich welcher Partei, haben die Botschaft – keinen Bahnausbau ohne ausreichenden Lärmschutz – weitergetragen nach Stuttgart und Berlin. Denn nur die Politik kann die Rahmenbedingungen ändern, an die sich die Bahn in ihren Plänen hält. Die Botschaft wirkt inzwischen, wie jüngste Signale aus dem Bundesverkehrsministerium vermuten lassen. Und die Landesregierung wird nach dem Deal um »Stuttgart 21« nicht umhin können, zumindest einige der von dieser Protestbewegung gewünschten Korrekturen an den Bahnplänen mitzufinanzieren.