Pressearchiv (2005 - 2020)

»Ein Tag, der Mut gemacht hat«

von Bi-Bahntrasse

»Ein Tag, der Mut gemacht hat«

(BZ vom 8. Oktober)

Bürgerinitiative Bahntrasse mit dem Verlauf der Kundgebung in Freiburg gegen die Bahn-Pläne sehr zufrieden

VON UNSEREM REDAKTEUR HUBERT RÖDERER

Zwischen 1000 und 2000 Menschen aus ganz Südbaden protestierten am Samstag in Freiburg gegen die Ausbaupläne der Deutschen Bahn AG. Über 300 sollen alleine aus Offenburg und Umgebung angereist sein, darunter natürlich die Vertreter der engagierten Bürgerinitiative (BI) Bahntrasse.
Mit Pfiffen und Blasmusik protestierten viele geballt für ihren Alternativplan zum Ausbau der Rheintalbahn – zum zweiten Male nach Oktober 2006, als in Offenburg eine Groß-Demo stattfand. Die Forderungen auf dem Freiburger Augustinerplatz waren an Bahnchef Hartmut Mehdorn, an Berlin und an Günther Oettinger adressiert: »Wir werden den Ministerpräsidenten fragen, was er unserer Region bietet – nicht nur den Stuttgartern ihr Stuttgart 21«, rief Herbolzheims Bürgermeister Ernst Schilling. Im Publikum waren auch Offenburgs Bürgermeister Dieter Eckert, in Vertretung der verhinderten OB Edith Schreiner, sowie die beiden Abgeordneten Sibylle Laurischk (FDP) und Elvira Drobinski-Weiß (SPD).
Der Freiburger Staatsminister Gernot Erler (SPD) stand auf der Rednerliste: »Ihre Forderungen werden in Berlin ernst genommen, vor allem, weil sie konstruktiv sind.« Man habe neue Handlungsmöglichkeiten, wenn die für Ende Oktober erwarteten Gutachten tatsächlich ein deutlich gesteigertes Verkehrs- und Lärmaufkommen bis 2025 prognostizieren. Auf das Gutachten des Regierungspräsidiums bezog sich auch Staatssekretär Gundolf Fleischer (CDU), der sich als Vertreter der Landesregierung zunächst Pfiffe anhören musste. Er sicherte den Bahn-Anwohnern die Unterstützung des Ministerpräsidenten zu – falls die Gutachten entsprechende Daten lieferten.
Die Alternativplanung der IG Bohr beinhaltet einen Tunnel in Offenburg, die Tieferlage der Gleise im Markgräflerland und im Abschnitt Freiburg und einen Autobahn-nahen Verlauf der Gleise nördlich von Freiburg.
In Anlehnung an »Stuttgart 21« (Tieferlegung des Hauptbahnhofs in Stuttgart) nennen die Bahnkritiker in Südbaden ihr Konzept nun »Baden 21«. Und dies sei deutlich unter einer Milliarde Euro teurer im Vergleich zu den Plänen der Bahn. »Die Bahn hat im Übrigen nichts zu wollen, entschieden wird in der Politik«, betonte BI-Vorstand Roland Diehl aus dem Markgräflerland. Die IG Bohr vereinigt sieben Bürgerinitiativen mit 15.000 Mitgliedern. Darunter ist auch die rührige Offenburger BI Bahntrasse um die Ordensschwester Martina Merkle und den früheren evangelischen Dekan Manfred Wahl. Dieser verstrahlte viel Optimismus: »Ich bin mit dem Tag in Freiburg zufrieden.« Mag die Polizei auch lediglich 1000 Demonstrierende offiziell genannt haben: »Ich gehe von deutlich mehr aus. Die Polizei verhält sich gern konservativ.«
Froh sei er, dass die BI Bahntrasse die »vier Offenburger Betroffenheiten« durch eine Bündelung von vier Gleisen an der jetzigen Strecke habe vorstellen können: die Gesundheitsgefährdung, die Bildungsbeeinträchtigung (Schulen und Kindergärten liegen im unmittelbaren Lärmteppich), der Immobilienwertverlust und die soziale Verödung, die auch von Meter hohen Lärmschutzwände herrührte. Optimistisch sind die Sprecher der IG Bohr. Die Chancen, die Pläne der Bahn im Sinne der Bürger entscheidend zu ändern, hätten sich in den vergangenen Monaten deutlich verbessert. Die BI setzt auf eine Doppelstrategie: Alle betroffenen Kommunen sollen sich auf eine Alternativtrasse einigen – bis auf wenige Kommunen steht das Bündnis bereits.

Stefan Böhm beeindruckte mit seinem Tunnel-Lied » Lied anhören

Zusätzlich will die IG Bohr Druck auf die Politik ausüben. Demnächst wollen sich die Bahnkritiker mit Vertretern der SPD-Landtagsfraktion treffen, mit dem Ziel, eine Landtagsdebatte noch im Herbst über den Ausbau der Rheintalbahn zu initiieren. Anschließend wollen sich BI-Vertreter mit Staatsminister Willi Stächele zusammensetzen. Ende Oktober wollen neun Vertreter der BI nach Berlin reisen. Für 2008 wünscht sich die BI »als krönenden Abschluss« ein Gespräch mit Ministerpräsident Oettinger, bevor der mit Bundesverkehrsminister Tiefensee und Bahnchef Mehdorn zu einem »Spitzengespräch« zusammen kommt. Falls Berlin für die Mehrkosten von »Baden 21« nicht aufkommen will, sieht die IG Bohr das Land in der Pflicht. »Wie bei Stuttgart 21«, sagt Manfred Wahl. Dieser freute sich am Samstag auch über den Erfolg des von Grüne-Stadtrat Stefan Böhm vorgetragenen »Offenburger Tunnellieds«. Der pfiffige Refrain: »Wir stellen das Signal auf Rot, wer schweigt, der erntet Krach. Nur wenn die Stadt zusammenhält, denken andere nach.«
»Ich glaube«, bilanzierte Manfred Wahl gestern, »dass es für alle Teilnehmer am Samstag eine Ermutigung war, nicht locker zu lassen.«

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