Pressearchiv (2005 - 2020)
Entscheidung des Projektbeirats ein klarer Wortbruch
von Bi-Bahntrasse
IG BOHR: Entscheidung des Projektbeirats ein klarer Wortbruch der Politik
FREIBURG. Die Interessengemeinschaft Bahnprotest an Ober- und Hoch-Rhein (IG BOHR) will die Tatenlosigkeit der Bundespolitik bei der Planung des dritten und vierten Gleises zwischen Offenburg und Weil nicht weiter hinnehmen. „Die jüngste Sitzung des Projektbeirats am 28. Januar in Berlin hat gezeigt, dass das Wirtschaftsunternehmen Deutsche Bahn AG sich bei der Verwirklichung seiner Pläne darauf verlassen kann, dass sich der Bund auf eine längst veraltete und menschenverachtende Gesetzeslage zurückzieht. Die Bürger bezahlen gleich dreifach: Erst die Projektkosten mit ihren Steuern, dann die Billigplanung mit dem Wertverlust ihrer Immobilien, dann auf Generationen hinaus mit ihrer Gesundheit”, erklärten die Sprecher der IG BOHR bei einem Pressegespräch am Donnerstag in Freiburg. In den kommenden Sitzungen des Projektbeirats müssten die Vertreter der Region und der Landesregierung daher mit wesentlich mehr Selbstbewusstsein und fordernd an die Adresse der politischen Entscheidungsträger auftreten.
„Das war ein klarer Verstoß gegen die Vereinbarungen im Projektbeirat und ein Wortbruch der Politik”, ist die einhellige Meinung des IG BOHR-Sprechergremiums. So sei in der ersten Sitzung des Projektbeirats am 5. Oktober 2009 in Berlin vereinbart worden, dass kein Planfeststellungsbeschluss ergehen und keine Finanzierungsvereinbarung geschlossen werden darf, bevor der Projektbeirat die einzelnen Planungsabschnitte abschließend beraten hat. In klarem Gegensatz dazu steht nun die Entscheidung der Bahn und des Bundes, den Planfeststellungsbeschluss für den Abschnitt 9.2 Weil/Haltingen herbeizuführen. Mit dieser Vorgehensweise, so die Einschätzung der IG BOHR-Verantwortlichen, hätten der Bund und die Deutsche Bahn die Glaubwürdigkeit des Projektbeirats massiv untergraben. Die IG BOHR will daher in Weil bei einer Protestveranstaltung das inakzeptable Verhalten des Bundes und der Bahn zum Thema machen.
Die Sprecher der IG BOHR warnten außerdem die neue Bundesregierung, die Vereinbarung im Koalitionsvertrag, den Schienenbonus abzuschaffen, unter den Tisch fallen zu lassen: „Die Abschaffung des Schienenbonus kann genauso schnell erfolgen wie die Einführung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes für das Hotelgewerbe. Und die Abschaffung des Schienenbonus ist ebenso in der Koalition vereinbart. Die Regierung muss dies jetzt einlösen, sonst verwirkt sie alle Glaubwürdigkeit bei diesem Projekt – und die Quittungen werden mit jeder Wahl ausgestellt. Erst bei der Landtagswahl, dann wieder bei der Bundestagswahl.”
Die Signale aus dem Bundesverkehrsministerium lassen jedoch vermuten, dass es damit wohl nicht ernst gemeint sei, obwohl jeder wisse, dass der Schienenbonus längst überholt und seine Begründung eine Verhöhnung der Bevölkerung sei. „Durch die Abschaffung des Schienenbonus treten die wahren Kosten einer Infrastrukturmaßnahme zutage, nicht die Mehrkosten”, betonte Roland Diehl. Dann hätten die sog. Mehrkosten endlich eine gesetzliche Grundlage. Die bisherige Lärmschutzgesetzgebung könne wortwörtlich genommen werden: Sie schützt den Bahnlärm vor den Bürgern, aber nicht die Bürger vor dem Bahnlärm. Die IG BOHR erwartet daher, dass Bundesverkehrsminister Ramsauer sich nun umgehend „vor Ort” mit Staatssekretär Scheurle über das wichtigste deutsche Schienenbauprojekt informiert. Das würde ihm auch einen persönlichen Eindruck von der Seriosität und der Entschlossenheit des oberrheinischen Widerstands gegen die unsäglichen Bahnpläne verschaffen.
Die IG BOHR erwartet von der Landesregierung darüber hinaus, dass sie den Druck in den Verhandlungen erhöht. Gerade angesichts der eklatanten Fehlplanung für das dritte und vierte Gleis könne es hier keine Kompromisse geben: Eine ursprünglich reine Personenverkehrstrasse sei ohne jede Umplanung zu einer Güterzugtrasse einmaligen Ausmaßes umfunktioniert worden. „Das ist ein planerischer Skandal ohnegleichen”, betonte Manfred Wahl. Von den dafür Verantwortlichen habe nur das Land Einsicht gezeigt mit seiner Unterstützung von BADEN 21 und seiner Zusage einer substantiellen Finanzierung dieses Konzepts. Sollten Bund und Bahn sich dieser unerlässlichen Korrektur ihrer Planung nicht stellen, bliebe aus der Sicht von IG BOHR und der Region nur eines: „Durchsetzen eines völligen Planungsstopps und einer Neuplanung einer Trasse, die auch das Vermögen, die Gesundheit und das Leben der Menschen am Oberrhein berücksichtigt”, so Wahl.
Nach Ansicht der IG BOHR habe der Gesprächsverlauf in Berlin gezeigt, dass der Primat der Politik mehr denn je gefordert sei. „Es ist ein Skandal, dass die Deutsche Bahn als Wirtschaftskonzern, der auf Gewinnmaximierung ausgerichtet ist, immer noch Privilegien aus der Zeit als Staatsbahn genießt”, erklärte Roland Diehl. Dass die Vertreter der Landespolitik sich von den Herren am Nasenring durch die Arena führen und sich die Vertreter der Bundespolitik für die Zwecke der DB instrumentalisiert ließen, sei beschämend gewesen. Der Bahn müsse daher der Status des „Staates im Staat” genommen werden.