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»Umdenken bei Bund und Bahn«

von Bi-Bahntrasse

»Umdenken bei Bund und Bahn«

(BZ vom 27. April)

BZ-Interview mit Sven von Ungern-Sternberg: Regierungspräsident sieht Chancen für rücksichtsvolleren Ausbau der Rheintalbahn

Freiburg. Der viergleisige Ausbau der Rheintalbahn stößt in der Region auf heftigen Protest. Doch in die Fronten kommt angeblich Bewegung. Ein neues Gutachten über die im Rheintal zu erwartenden Zugzahlen (bislang werden bis 2015 zwischen 432 bis 514 Züge täglich prognostiziert) soll der Deutschen Bahn AG zeigen, dass sie mehr für den Lärmschutz tun muss. Mit Regierungspräsident Sven von Ungern-Sternberg sprach Wulf Rüskamp.

BZ: Gutachten zum Ausbau der Rheintalbahn gibt es schon eine ganze Reihe. Was soll das vom Land jetzt in Auftrag gegebene neue Gutachten bringen?
Ungern-Sternberg: Es soll uns Zahlen liefern über den Zugverkehr bis ins Jahr 2025, also über das für die derzeitige Planung bindende Jahr 2015 hinaus. Außerdem wird es ergänzt um Aussagen zur Maximalauslastung der Strecke. Damit kommen wir einer breiten Forderung aus der Region entgegen. Mit diesem Durchbruch versprechen wir uns einen gegenüber den heutigen Plänen besseren Lärm- und Erschütterungsschutz für die Anwohner der Neubaustrecke. Dieser verbesserte Lärmschutz soll schon jetzt in die Planung der Bahn eingehen. Unser Ziel ist es, dass überall dort, wo es geboten und wo es finanziell vertretbar ist, die Bahn tiefer gelegt wird.

BZ: So ein Gutachten bindet doch weder den Bund als Auftraggeber noch die Bahn als Bauherrn.
Ungern-Sternberg: Das ist der entscheidende Punkt. Wir haben die Sicherheit, dass die Ergebnisse dieses Gutachtens vom Land und vom Bund verbindlich in die Bahnplanung einbezogen werden. Das Gutachten hält sich zudem an die Spielregeln, die der Bund zur Ermittlung der Zugzahlen für den Bundesverkehrswegeplan aufgestellt hat.

BZ: Was hat den Bund dazu gebracht, von seinen Richtzahlen im Bundesverkehrswegeplan abzuweichen?
Ungern-Sternberg: Es hat sich beim Bund und beim Land in jüngster Zeit einiges bewegt. Mit unserer Forderung, die langfristigeren Prognosen für die Zugzahlen in der Bahnplanung zu berücksichtigen, hatten wir uns bisher auch beim Land nicht durchsetzen können. Ich freue mich, dass Staatsminister Willi Stächele dies durch einen Kabinettsbeschluss hat ändern können. Zudem gibt es Anzeichen, dass es im Bundesverkehrsministerium und in der Bahn AG ein Umdenken in der Frage des Lärmschutzes gibt. Deshalb setze ich darauf, dass das Gutachten zu substanziellen Veränderungen der Bahnplanung führen wird.

BZ: Hat der Bund zugesagt, sich an die Aussagen des Gutachtens zu halten?
Ungern-Sternberg: Der Bund ist über unsere Vorgehensweise informiert, und es gibt in dieser Frage eine Abstimmung zwischen dem Landes- und dem Bundesverkehrsministerium.

BZ: Damit verlässt der Bund seine bisherige politische Linie
Ungern-Sternberg: Darin liegt sicherlich ein Entgegenkommen des Bundes. In der Tat müssen normaler Weise müssen die Zahlen des Bundesverkehrswegeplans der Planung zugrunde gelegt werden. Wir haben aber Äußerungen von Bahnchef Mehdorn, dass sich jenseits von 2015 die Zugzahlen so entwickeln, dass möglicherweise der viergleisige Ausbau der Rheintalbahn nicht mehr ausreicht. Nach einschlägiger Rechtsprechung müssen solche Anhaltspunkte von der Anhörungs- und der Genehmigungsbehörde, in diesem Fall das Eisenbahnbundesamt, geprüft werden, ob sie möglicherweise von den Zahlen im Bundesverkehrswegeplan abweichen.

BZ: Wenn die Zugzahlen dramatisch wachsen und damit der Lärm: Was könnte sich konkret an den Bahnplänen ändern?
Ungern-Sternberg: Nehmen wir das Markgräflerland: Die dortige Trassenführung ist unumstritten. Aber es gibt heute deutlich mehr Chancen als noch vor einem Jahr, dass die Bahn auf die so genannte Bürgermeistervariante mit einer Tieferlegung der neuen Gleise zurückgreift.

BZ: Nördlich von Freiburg, zwischen Kenzingen und Offenburg, ist auch die Trasse umstritten.
Ungern-Sternberg: Wenn in Offenburg ein Tunnel käme, wäre das sicherlich eine neue Trasse. Und der Tunnel hat bei dem derzeitigen politischen Schub eine größere Chance denn je auf Verwirklichung. Gegen den Bau der beiden neuen Gleise entlang der Autobahn spricht wohl das Betriebskonzept der Bahn. Aber die eine oder andere Alternative rückt jetzt auch hier in den Bereich des Machbaren.

BZ: Wo Züge mitten durch Orte fahren wie in Herbolzheim, könnte es mit dem aktiven Lärmschutz eng werden. Müssen dort die Gleise tiefer gelegt werden?
Ungern-Sternberg: Genau solche Fragen müssen anhand der neuen Prognosezahlen zum Zugverkehr überprüft werden. Es kommt jetzt Bewegung hinein. Das Konzept der Bahn, so kostensparend zu bauen, wie es nur geht, könnte einer anderen Philosophie weichen.

BZ: Lenkt die Bahn wirklich ein?
Ungern-Sternberg: Man darf nicht vergessen: Auch die Bahn hat ein großes Interesse am Ausbau dieser Strecke, weil sie für den europäischen Güterverkehr von zentraler Bedeutung ist. Konflikte sind da nur hinderlich. Wir haben deutliche Signale von der Bahn erhalten, dass sie mit der Region einen Ausgleich suchen will. Darin hat sich auch das geschlossene Auftreten der Region ausgezahlt.

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